16. Oktober 2025

Gastbeitrag: Das Potenzial guter Führung

Der Gastbeitrag »Das Potenzial guter Führung« von Claudia Schmitz ist in dem Bericht »Es geht voran - Sachstand Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien« vom Deutschen Kulturrat erschienen. 

Die Publikation ist Ausgangspunkt für eine neue Folge von »JaAberUnd«, der Debatten-Plattform von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates. Claudia Schmitz, Geschäftsführerin des Deutschen Bühnenvereins diskutiert mit Kathrin Grotz, stellv. Direktorin des Instituts für Museumsforschung, Staatliche Museen zu Berlin und Gabriele Schulz, stellv. Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates und Mitherausgeberin des Berichts, Fragen wie: 

• Wie steht es um die Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich?
• Wie sieht es aus mit der Besetzung von Führungspositionen?
• Was wurde schon erreicht? Was ist noch zu tun?
 
Weitere Informationen: 

Termin: 22. Oktober, 10:00-11.00 Uhr 
Ort: Brecht-Haus, Chausseestraße 125, 10115 Berlin
Möglichkeiten der Teilnahme: Vor Ort im Literaturforum im Brecht-Haus (zur Anmeldung), Chausseestraße 125, 10115 Berlin oder live auf YouTube

Das Potenzial guter Führung

Über das Thema Führung in Kulturbetrieben wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben, diskutiert und auch skandaliert. Stehen doch speziell die Theater unter Generalverdacht, heute noch von autoritären Intendantenpersönlichkeiten geleitet zu werden, deren Allmacht kaum Grenzen kennt und deren Führungswerkzeuge sich auf eine charismatische Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft beschränken.

Theater als letztes funktionierendes feudales System?

Dieses Szenario verkennt, dass Theater komplexe, arbeitsteilig aufgestellte Unternehmen mit meist mehreren hundert Beschäftigten sind, die auf Basis sehr unterschiedlicher Rahmenbedingungen an einem gemeinsamen Produkt arbeiten, das wir Kunst nennen.

Es verkennt, dass diese kreativen Prozesse nur im Kollektiv, unter Beteiligung vieler Menschen gestaltet werden können und dass in den Betrieben die gesetzlich verankerte Mitbestimmung gilt. Es verkennt zudem, dass sich unsere Arbeitswelt wandelt und arbeitende Menschen seit geraumer Zeit zeitgemäße Führung einfordern. Außerdem lässt dieses Szenario außer Acht, dass auch Theater vom Fachkräftemangel betroffen und damit gezwungen sind, an ihrer Unternehmenskultur und Attrak- tivität proaktiv zu arbeiten.

Insofern bestehen bei den Führungskräften sowohl die durch äußere Rahmenbedingungen definierte Notwendigkeit als auch die aus dem Betrieb heraus gegebene Motivation, an einer Führungskultur mitzuwirken, die situative und individuelle Anforderungen berücksichtigt und ein fruchtbares Arbeitsumfeld schafft, in dem Mitarbeitende ihr Potenzial möglichst gut entfalten können.

Unter dem Titel »Zukunft gestalten – wie wollen wir (zusammen) arbeiten« hat der Deutsche Bühnenverein seine Mitglieder Ende 2023 eingeladen, »die« Themen zu benennen und zu diskutieren, die aktuelle »burning issues« in den Institutionen sind.

Ein Thema, das bei diesem Prozess in den Fokus gerückt wurde, ist Führung. In einer Arbeitsgemeinschaft aus künstlerischen und administrativen Leiter:innen unterschiedlicher Theater und Orchester wurde in mehreren Sitzungen an einem »gemeinsamen Führungsverständnis« gearbeitet, das gemeinsame Werte und gute Gründe für wirksame Führung umfasst.

Ein »ABC für Führungskräfte« deklinierte von A wie Agilität bis Z wie Zuverlässigkeit, was Führungskräfte für gute Führung benötigen. Für Mitarbeitende wurde aufgezeigt, was diese mitbringen sollten, damit gute Führung gelingen kann – von E wie Empathie bis W wie Weiterbildung.

Ergänzt wurde das Papier durch einen Werkzeugkasten, in dem bereits in der Praxis erprobte Tools für die Umsetzung guter Führung aufgezeigt wurden. Das »Mission Statement zu guter Führung« wurde in der Mitgliedschaft geteilt und auf diesem Weg zum gemeinsamen Selbstverständnis der Theater und Orchester.

Dabei steht es nicht solitär, sondern bildet mit zwei weiteren wichtigen Verbandspapieren, dem »Wertebasierten Verhaltenskodex« und ist dem »Phasenmodell zur Intendanzfindung«, eine relevante Grundlage für die Unternehmenskultur der Theater und Orchester im 21. Jahrhundert.

Schon über den »Wertebasierten Verhaltenskodex« aus dem Jahr 2021, der ein freiheitliches und respektvolles Miteinander in unseren Betrieben fördern und stärken will, haben sich Vertreter:innen der Rechtsträger, Künstlerische und Administrative Leiter:innen der Bühnen in einer Art Selbstverpflichtung zu Werten und Zielen bekannt, die in ein gemeinsames Verständnis vom Wert guter Führung münden.

Und auch die offizielle Empfehlung des Deutschen Bühnenvereins für strukturierte und transparente Verfahren bei der Suche nach neuen Intendanzen, das »Phasenmodell zur Intendanzfindung«, nennt die Führungskompetenz als einen relevanten Faktor bei der Wahl der richtigen Person oder des richtigen Teams, die Verantwortung in einer Institution übernehmen soll(en).

Das Gewebe aus Kodizes, Empfehlungen und Mission Statements wird gestützt durch gesetzliche Vorgaben, so etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Beschwerdestelle einzurichten und das Verfahren bei Beschwerden innerhalb des Betriebs zu regeln, ist vom Gesetzgeber verpflichtend vorgeschrieben. Zudem ist in den vergangenen Jahren hinlänglich und schmerzhaft – auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit – widerlegt worden, dass man Diskriminierungen auch anders »in den Griff bekommen« könne.

Es geht aber nicht primär um die Frage, welche Vorgaben verbindlich sind, sondern darum, dass sie aus Überzeugung weiterentwickelt und zur gelebten Realität in den Theatern und Orchestern werden.

Denn gute Unternehmenskultur kann nicht erzwungen oder per Dekret verordnet werden. Sie bildet sich heraus aus der Überzeugung, dass Theater- und Orchesterbetriebe heute nicht zuletzt nur im Sinne eines »Practice what you Preach« erfolgreich arbeiten können, und sie wächst an dem guten Beispiel aller involvierten Personen.

Dass mittlerweile ein Umdenken in den Führungsetagen der Bühnen stattgefunden hat und die Relevanz guter Führung anerkannt ist, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Mitglieder unseres Verbandes das Thema Führung Ende 2023 zu einem der drei zentralen Zukunftsthemen gemacht haben. Und, dass sie dazu einiges zu sagen haben.

Dass Worten Taten folgen, lässt sich daran ablesen, dass sich der Bühnenverein als Arbeitgeberverband mit seinen Mitgliedern für eine Reform des Tarifvertrags »Normalvertrag Bühne« stark macht.

Dieser Schritt zeugt davon, dass die Ziele des Wertebasierten Kodex zur gelebten Realität werden: Die Anpassungen des Tarifvertrages sind somit Teil der Organisationsentwicklung an den Bühnen und tragen geänderten Anforderungen aus der Arbeitswelt unbedingt Rechnung.

Daher kommt es nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis gezielter Maßnahmen der Organisationsentwicklung, dass die Theater – auch als Arbeitgeber – gerade wieder an Attraktivität gewinnen.

Wir werden daran arbeiten müssen, dass diese gute Entwicklung keinen Knacks an einer anderen Sollbruchstelle, der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Institution und Trägerschaft, bekommt. Ein respektvolles Miteinander in den Betrieben setzt voraus, dass auch die übergeordnete Kommunikation zwischen den Zuwendungsgebern und den Theatern und Orchestern unter Beachtung der Werte und Grundsätze verläuft, auf die man sich gemeinsam verständigt hat.

Insoweit sei die Lektüre der entsprechenden Papiere des Deutschen Bühnenvereins allen Beteiligten der aktuellen Debatten um Einsparungen und Restrukturierungen noch einmal wärmstens ans Herz gelegt.