Die georgische Autorin und Regisseurin Nino Haratischwili eröffnet die Jahrestagung des Deutschen Bühnenvereins am 5. Juni im Chemnitz mit einem Impulsvortrag. Vorab ruft sie auf zur Solidarität mit dem Royal District Theater in Georgien.
Die georgische Regierungspartei »Georgischer Traum« (mittlerweile »Georgischer Alptraum« genannt), die, die Russifizierung des Landes nach Moskauer Manier vorantreibt und alle Arten von Repressionen durchsetzt: Gewalt, unrechtmäßige Verhaftungen & Entlassungen, Bußgelder gegen die Demonstranten und allen voran die Unterjochung der Kulturszene, hat erneut die Theater in die Schusslinie gerückt. Als wären Inhaftierte Schauspieler nicht genug, entlassene Intendanten und Kulturschaffende, die sich dem staatlichen Diktat nicht beugen wollten, geschlossene Ausbildungsstätte und Studios, die sie nicht weiter finanzieren, weil sie nicht »konform« sind, ist jetzt das Royal District Theater in deren Fokus gerückt.
Es ist eines der wichtigsten Gegenwartstheater der Stadt, das unter der künstlerischen Leitung des Regisseurs Data Tavadze dem Publikum qualitativ hochwertiges, modernes, politisches Theater bietet. Mit einem wunderbaren Schauspielensemble und vielen jungen Regisseuren, die dort arbeiten. Auch ich habe dort drei Inszenierungen gemacht, von denen zwei noch im Repertoire sind. (Zuletzt die UA meines eigenen Textes: «Phädra in Flammen« 2022.)
Im Oktober 2024 führte Data Tavadze ein neues Stück mit dem vielversprechenden Titel: »Liberté.« ebendort auf. Es ist eine Textcollage aus seinem eigenen, im Kollektiv entwickelten Text und den Texten Marquis de Sades. Der Abend verhandelt die kritischen und staatlich unterdrückten Themen von LGBTQIA+ Rechten, von Freiheit und hinterfragt die heuchlerische Doppelmoral der Gesellschaft. Ebenfalls rückt er das Thema der Revolution in den Fokus und zieht Parallelen von der Französischen Revolution bis hin zu den georgischen Protesten. Der Abend lässt Fragen laut werden, die aktuell und brennend sind und die bald womöglich der staatlichen Zensur zur Opfer fallen könnten. (Ich hatte das Vergnügen, die Aufführung im April selbst zu sehen.)
Beim Betreten des Theaters werden allen Zuschauern die Handys abgenommen. Dennoch hat es jemand heimlich und verbotenerweise geschafft, Auszüge aus dem Abend zu filmen und sie den staatlichen Propagandasendern zuzuspielen, die wiederum die desolate Lage des Landes mit ebendiesen Theaterskandal überspielt haben, indem sie dem Kontext entrissene Bilder des halbnackten Schauspielers mit de Sades Texten montiert und den Zuschauern den Abend als eine Art kulturelle Apokalypse mit Gotteslästerung dargestellt haben.
Woraufhin die religiösen Fanatiker, prorussische und staatsloyale Mitbürger sich zu einem Mob zusammengeschlossen und das Theater belagert haben. Es folgten Drohbriefe gegen das Team, auch die erzkonservative und staatsloyale orthodoxe Kirche goss Öl ins Feuer und beschuldigte die Künstler der Ketzerei.
Die sich im Boykott befindenden Schauspieler, von denen die meisten auch bei unserer wunderbaren Solidaritätsaktion »Sacred Monsters« vom Dezember 2024 dabei waren, mussten die Kollegen wörtlich mit ihren eigenen Körpern schützen und somit die Aufführung ermöglichen, indem sie sich vor dem Theater stellten und dem Mob den Weg versperrten.
Die unabhängige georgische Kulturszene braucht erneut die europäische Gemeinschaft, sie braucht Solidarität und sie braucht das Zeichen, dass sie nicht allein sind. Wir haben dies vor wenigen Monaten mit unserer Videoaktion so wunderbar geschafft und nun hoffe ich, dass wir es auch diesmal hinbekommen. Diesmal ist der Aufwand viel geringer:
Wenn es euch möglich ist, wäre es wunderbar, wenn ihr auf euren Webseiten und allen voran euren Social Media dafür nutzt einen #hashtag zu kreieren mit folgender Message:
#SolidaritywiththeindependentGeorgiantheater./#SolidaritywithRoyal DistrictTheatre.
Bitte helft uns, die wenigen, georgischen Inseln der Meinungsfreiheit und des autonomen künstlerischen Schaffens zu wahren.
Danke
Nino Haratischwili