Think Tank Transformation
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21. November 2025

Schließt einen Pakt!

Anfang des Jahres formierte sich der Think Tank Transformation, um mit den Theatern und Orchestern in Zeiten knapper Kassen und existenzieller Fragen Strategien zu entwickeln. Nun gibt es Ergebnisse.

von Marion Troja

Eine so ausgeprägte Solidarität hat es zuvor noch nicht gegeben. In Berlin sind vor einem Jahr die Theater und Orchester, die freie Szene, Gewerkschaften, Verbände, Künstler:innen und das Publikum gemeinsam auf die Straße gegangen: #BerlinIstKultur lautete die Botschaft. Wie es denn gelingen solle, kurzfristig Millionenbeträge einzusparen, das wollte man vom damaligen Senator wissen. Und warum denn keiner die frage, die wüssten, wie sinnvolle Transformation an den Bühnen funktioniere, lautete der Tenor in vielen Interviews.

In einer angespannten Situation befinden sich auch Bühnen in anderen Regionen. Im Februar 2025 hat sich auf Initiative des Präsidiums des Deutschen Bühnenvereins daher ein Thinktank gebildet, in dem Intendant:innen und Verwaltungsdirektor:innen, Rechtsträger-Vertreter:innen und weitere Expert:innen aus der Mitgliedschaft gemeinsam Strategien entwickelt haben.

Denn die Situation ist ernst: Angespannte Haushalte bundesweit auf allen Ebenen, multiple Krisen in der Gesellschaft und damit verbundene erweiterte Aufgaben und Ausgaben der öffentlichen Hand, so sehen aktuell die Rahmenbedingungen der Theater und Orchester aus. Dem Think Tank Transformation folgten Debatten in großer Runde auf der Jahrestagung im Juni und weitere Arbeitstreffen. Und es gibt einen Plan.
 

Pakt zwischen Theatern und Trägern

Die Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins Claudia Schmitz erläutert das Konzept so: »Als Verband ziehen wir folgende Konsequenzen: Wir laden unsere Mitglieder, das heißt die Vertreter:innen der Rechtsträger und die Leiter:innen der Theater und Orchester, dazu ein, die notwendige Transformation in die eigenen Hände zu nehmen und einen Pakt für die Zukunft zu schließen: Gemeinsam auch durch schwierige Zeiten, miteinander und nicht gegeneinander, nur so können wir uns für die Zukunft aufstellen und die wichtigen Orte der Begegnung und Verbindung erhalten.«

Hinterlegt ist die Idee mit Input für Paktwillige. Gemeint sind damit die Bühnen auf der einen und die Rechtsträger, also Kommunen, Länder, Landkreise, Stiftungen oder Verbände, auf der anderen Seite. Der Pakt soll Planungssicherheit für die Theater und Orchester gewährleisten, aber auch aufzeigen, wie die Bühnen die eigene Transformation offensiv angehen. Der Grundgedanke ist, dass gerade in finanziell schwierigen Zeiten die künstlerische Leistungsfähigkeit erhalten und gestärkt wird. 

Um was geht es: Der Pakt umschließt eine Finanzierungszusage für mindestens drei Jahre, die Aussagen zu Höhe und Entwicklung der Zuwendung enthält und dabei auch das Gebäude berücksichtigt. Nicht wenige stehen vor oder schon mittendrin in riesigen Sanierungen. Es geht um die Häuser selbst, aber auch um die technische Ausstattung. Da die Gebäude im Eigentum der Kommune oder des Landes stehen, sind diese wichtige Partner:innen.

Und was bringen die Bühnen ein? Der Pakt umfasst die Vereinbarung, dass konkrete Transformationsmaßnahmen geprüft werden und darüber gemeinsam entschieden wird. Damit sind etwa Fragen nach Produktionsweisen und Kooperationsmöglichkeiten gemeint. Aufgeführt werden in der verabschiedeten Handlungsempfehlung vom Präsidium des Bühnenvereins auch Maßnahmen, die sich auf den Spielbetrieb auswirken.

Gemeinsam am Tisch

Kann es funktionieren, dass die Bühnen mit am Tisch sitzen, wenn über konkrete Einsparungen verhandelt wird? Die Antwort lautet: Ja. Und die Antwort lautet auch: Es braucht dafür Vertrauen, Respekt und eine gute Kommunikation zwischen den Theatern und den Rechtsträgern. In einer Arbeitsgruppe brachte ein Teilnehmer es auf die Formel: »Wir wollen die Treibenden sein.« In den Plänen für den Pakt werden aber auch rote Linien formuliert und Grundsätzliches für die Zusammenarbeit von Träger und Institution zusammengestellt. Und immer wieder heißt es: Die Kunstfreiheit und der Schutz der Künstler:innen steht nicht zur Disposition. 

Claudia Schmitz erklärt: »Wir setzen der Disruption die Transformation als nachhaltige Strategie entgegen und wollen Trägervertreter: innen und Theaterleitungen anstiften, sich verbindlich und offen über die Zukunft zu vereinbaren. Die Theater und Orchester brauchen sichere und verlässliche Rahmenbedingungen, um ihre Arbeit für uns zu machen. Investitionen in die Kultur sind Investitionen in die Freiheit und in die Zukunft, daher treiben wir diesen Prozess aus dem Verband heraus an, um damit die Vielfalt unserer Theater- und Orchesterlandschaft nachhaltig zu sichern.«

Neben der Handreichung für Paktwillige und einer Toolbox für mögliche Transformationsschritte organisiert der Bühnenverein kollegiale Beratung zwischen denjenigen Mitgliedern, die einen Pakt geschlossen haben oder dabei sind, dies zu tun. Gemeinsam gilt es, in Lobbyarbeit zu investieren, Ebenen wie den Deutschen Städtetag und die Kultusministerkonferenz mit ins Boot zu holen.

In der 167. Sitzung des Kulturausschusses des Deutschen Städtetages wurde die Handreichung gerade vorgestellt und intensiv diskutiert. Einige Vertreter:innen haben bereits Vereinbarungen mit ihren Organisationen abgeschlossen, die als Good-Practice Beispiele in den Prozess einfließen. Es bestand zudem Einigkeit, dass unter dem Dach des Städtetages über die kulturpolitischen Vertreter:innen hinaus weitere Entscheidungsträger in den Kommunen in den Prozess einbezogen werden müssen. 

Eine wichtige Gruppe der Verbündeten für eine solche Vereinbarung, die über einen jährlichen Zuwendungsbescheid oder eine Zielvereinbarung hinausgeht, ist das Publikum.

Wichtiger Verbündeter: Das Publikum

Der Bedeutung von Theater in der Bevölkerung bescheinigt der diesjährige Relevanzmonitor Kultur der Liz Mohn Stiftung in dieser Hinsicht hohe Zustimmungswerte: Die aktuelle Studie von April 2025 zeigt auf, dass mit 87 % die deutliche Mehrheit der Bevölkerung Kultur als verbindendes Element in einer sich immer schneller verändernden Gesellschaft sieht. Besonders unter jungen Menschen manifestiert sich die Erwartung, dass kulturelle Einrichtungen eine aktivere Rolle in gesellschaftlichen Debatten übernehmen sollen (1).

Bühnenvereinspräsident Carsten Brosda kommentiert: »Die spannende Aufgabe ist, jetzt hinzubekommen, dass diejenigen, die sagen: Das ist mir wichtig, auch sagen: Da gehe ich hin und dafür setze ich mich ein.« Diese Allianz in der Gesellschaft zu schaffen sei eine Aufgabe, vor der wir momentan stehen, damit wir gut durch diese Zeit kommen. 

»Das gelingt nur dann, wenn diese Gemeinschaft nicht auf der Bühne endet, sondern tatsächlich diejenigen, die im Zuschauerraum sitzen, mit hineingeholt werden in diese Erfahrung«, erklärt Brosda. Das sei eine Dimension, die gesellschaftlich momentan unterbelichtet ist. »Hierauf müssen wir, glaube ich, als Kulturverantwortliche in den verschiedenen Rollen, die wir miteinander prägen – sei es in der Kulturverwaltung, in der Kulturpolitik, in den Kulturinstitutionen –, viel stärker beharren.«

Quellenangaben:
(1) Relevanzmonitor Kultur, Liz Mohn Stiftung, 3. April 2025: https://liz-mohn-stiftung.de/news/relevanzmonitor-kultur-kulturangebote-fuer-mehrheit-der-gesellschaft-von-zentraler-bedeutung/

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